Jörg Sprave Selbstverteidigung
Fluchtrucksack – welche Waffe gehört da rein?
Von Jörg Sprave
Ich darf mich zuerst kurz vorstellen: Ich bin Jörg und ich bin KEIN Überlebensexperte. Mein Fachgebiet sind Waffen, genauer gesagt: Frei verkäufliche Waffen. Damit beschäftige ich mich schon mein ganzes Leben lang, seit einigen Jahren auch beruflich – zuerst als YouTuber mit meinem Kanal „Slingshot Channel“ und seit 2017 auch als Waffenhändler.
Ich bin Autor des Buchs „Selbstverteidigung und Notwehr“, dass es auch hier bei fluchtrucksack.de zu kaufen gibt.
Als ich gebeten wurde, einen Gastbeitrag für den Blog zu schreiben, war mir sofort klar worum es gehen muss – welche Waffe eignet sich für den Rucksack im „Fall der Fälle“? In meinem Buch beschreibe ich recht ausführlich die Wahl der richtigen Waffe für die Szenarien Heimverteidigung, Verteidigung unterwegs und auch den Katastrophenfall. Hier kann ich mich kürzer fassen, denn das Themengebiet ist von vornherein eingegrenzt.
Es sind natürlich diverse Gründe denkbar, die eine unmittelbare Flucht erfordern. Das reicht vom angedrohten mehrtägigen Besuch der Schwiegermutter (yikes) bis hin zum Angriff der Aliens. Aber da es hier um Waffen geht, will ich mich auf die Sorte von „Flucht“ konzentrieren, die durch ein gefährliches Umfeld führt. Wir sprechen vom Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung, das klassische „SHTF“ Szenario.
Ich will zunächst mal auf die rechtliche Seite zu sprechen kommen. Klar, wenn erst die fauligen Untoten schlurfend und stöhnend durch die Nachbarschaft ziehen, ist das Waffengesetz Nebensache und man bewaffnet sich ohne Rücksicht auf Paragrafen und Staatsanwälte. Aber noch ist es nicht soweit. Es geht um die Sorte von Waffen, die ganz legal im Fluchtrucksack gelagert werden können und TROTZDEM legal sind. Natürlich müssen sie auch leicht und klein sein, wir wollen den Rucksack ja auf dem Rücken tragen und nicht im Bollerwagen hinter uns herziehen.
Also: Welche Waffen sind wirkungsvoll, kompakt genug, erlaubnisfrei zu kaufen und zu tragen? Fangen wir an.
Natürlich gehört ein gutes Messer in den Fluchtrucksack, nicht nur zur Verteidigung, sondern auch als Gebrauchsgegenstand. Das Problem dabei: Feststehende Messer sind nur bis 12 cm Klingenlänge legal mitzuführen und das ist nicht optimal. Man müsste längere Messer verschlossen transportieren, sie wären dann NICHT zugriffsbereit. Hier gibt es aber eine interessante Gesetzeslücke: Klappmesser, die zwar beim Öffnen automatisch verriegeln, aber nur mit beiden Händen geöffnet werden können, sind unabhängig von der Klingenlänge legal führbar. Zudem nehmen sie weniger Platz im Rucksack ein. Alternativ kann man sie auch in der Tasche oder geöffnet am Gürtel tragen. Der Markt bietet entsprechende Modelle an, mit Klingenlängen von bis zu 25 cm. Das ist wichtig, denn eine lange Klinge hat nicht nur einen besseren Nutzwert, sie macht auch was her. Generell muss eine Waffe für den Ernstfall auch bedrohlich aussehen, denn auf diese Weise kann man vielleicht um einen Kampf herumkommen. Das ist immer die bessere Option.
Ich empfehle außerdem ein gutes Pfefferspray. Diese Sprays werden in Deutschland als „Tierabwehrspray“ bezeichnet, weil der Reizstoff nicht zur Verwendung gegen Menschen zugelassen ist. Sie wirken aber deutlich besser – auch gegen Menschen – als das zugelassene CS-Gas. Ich persönlich rate zu Sprays, die den Strahl nicht zu stark bündeln. Pfeffersprays sind für den Nahkampf bestimmt und da ist eine recht breit fächernde Sprühwolke besser – man muss nur in die ungefähre Richtung des Kopfes zielen. Am besten eignen sich übrigens die Modelle mit Beimischungen, die stark anhaften und einen üblen Geruch verströmen, wie zum Beispiel das „STF“ Spray der Firma Helpme.
Es ist eine gute Idee, zur Sicherheit zwei dieser Sprays mitzuführen – eines in der Jacken- oder Hosentasche und eine „Reserve“ im Rucksack.
Kommen wir nun zu den Distanzwaffen. Hier ist die Auswahl sehr begrenzt, da der Gesetzgeber eigentlich nicht will, dass die Bürger ohne Waffenschein mit Fernwaffen durch die Fußgängerzonen laufen. Auch hier gibt es ein geeignetes Produkt, das eigentlich zur Tierabwehr gedacht ist – der „JPX Protektor“ der Fa. Piexon. Es sind zwei- oder vierschüssige Pistolen, die einen stark konzentrierten Pfefferstrahl bis zu zehn Meter weit zielgenau verschießen können. Die Waffen dürfen erlaubnisfrei getragen werden.
Piexon Bild
Nachteil: Die Waffen können nicht mit neuen Patronen bestückt werden. Ist die Pistole leergeschossen muss man das gesamte Laufbündel tauschen. Ersatzlaufbündel nehmen recht viel Platz im Rucksack ein.
Alternativ zu den Tierabwehrgeräten bieten sich kompakte Harpunen aus dem Tauchsport an. Diese sind vom Waffengesetz größtenteils ausgenommen, der Besitz und das Führen sind ab 18 Jahren erlaubnisfrei möglich. Es gibt ein- und zweischüssige Modelle und als „Antrieb“ stehen Gummizüge oder Druckluft zur Auswahl. Diese Waffen sind über Wasser absolut tödlich.
Die einschüssigen „klassischen“ Modelle können von Hand gespannt werden, ähnlich einer Armbrust. Sie sind aber einschüssig, was für eine Selbstverteidigungssituation nicht optimal ist. Zudem sind auch die „kleinen“ Modelle recht sperrig.
Besser geeignet ist der „Scuba Ringer“ der Fa. AEA Precisions. Er verwendet mit Hochdruck (bis 300 bar) gefüllte Kartuschen, die einer kleinen Schrotpatrone ähneln. Die Mini-Harpunen können mit gefährlichen Jagdspitzen ausgestattet werden und richten verheerende Schäden an. Die Kartuschen sind wiederverwendbar, sie werden mittels einer Spezial-Handpumpe unter Druck gesetzt. Für den Fluchtrucksack empfehle ich aber das Mitführen von gefüllten Reserve-Kartuschen.
Ebenfalls in Frage kommt eine moderne Repetier-Pistolenarmbrust. Manche dieser Modelle lassen sich schnell in die Hauptbestandteile zerlegen und nehmen dann nur wenig Raum ein. Das Modell „Vlad“ der Firma EK Archery hat ein Magazin für 7 Pfeile und passt zerlegt in eine schmale Aktentasche. Das Spannen geschieht durch das Abklappen des Vorderteils, was schnelle Schussfolgen (ca. 3 Sekunden) erlaubt.
Nachteil dieser Waffen ist ganz klar der immer noch recht große Platzbedarf und das Gewicht (ca. 3 kg). Dafür kann man mit der Waffe auch ordentlich Kleintiere jagen, nicht unwichtig in einem Überlebensszenario.
Wer eine „richtige“ Schusswaffe möchte, dem empfehle ich eine moderne halbautomatische Druckluftpistole. Das derzeit beste Modell ist die „GK1“ des Herstellers Huben. Sie bietet ein Magazin mit 19 Schuss Kapazität und hat das Kaliber .22 (5,5mm).
Die Waffe ist in Deutschland nur in der stark leistungsbegrenzten „F“ Version erhältlich. Statt der maximal möglichen Energie von ca. 45 Joule leistet sie „nur“ 7,5 Joule – nicht genug für eine tödliche Wirkung. Die Kugeln dringen in die Haut ein und das tut mächtig weh – aber schwere Verletzungen sind nur bei einem Treffer in die Augen vorstellbar. Allerdings werden die Waffen mit dem „Exportkit“ geliefert, mit dem man die volle Leistung jederzeit herstellen kann. Der Besitz dieser Teile ist legal, der Einbau jedoch nicht. Wenn man aber die Waffe UND das Kit in den Rucksack packt, dann hat man im Fall der Fälle eine gute Option.
Druckluftwaffen sind zwar erlaubnisfrei zu erwerben, aber man darf sie nicht führen. Deshalb müssen sie ungeladen und verschlossen im Rucksack liegen. Hat der Rucksack ein Fach, das mit einem kleinen Vorhängeschloss gesichert werden kann, dann genügt dies völlig. Ansonsten tut es auch ein kleines Säckchen und ein Kabelbinder.
Auch hier kann das Befüllen der Waffe zum Problem werden. Je nach Leistung „reicht“ die Luft für zwei bis vier Magazine (also 36 bis 72 Schuss). Danach wird eine sperrige Handpumpe benötigt. Alternativ kann man auch eine kleine Druckluftflasche aus dem Paintball-Sport mitnehmen.
So, nun bin ich am Ende meiner kleinen Liste mit Empfehlungen angekommen! Zu allen diesen Waffen gibt es Videos auf meinem Kanal – schaut gern mal rein!
Jörg Sprave, im Spätherbst 2024
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